Page 9 - Reiten zwischen Spree und Neiße
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LK SPN Reitbroschüre  16.10.2015  13:05  Seite 9



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            Johannisreiten | Janske rejtowanje

            Im Johannisfest widerspiegelt sich auf besondere Weise das enge
            Verhältnis der Menschen zur Natur, die um die Zeit der Sommer-
            sonnenwende ihre größte Kraft entfaltet. Nach altem Volksglau-
            ben ist der 24. Juni (St. Johannes) der größte Wundertag des Jah-
            res. Die Menschen glaubten, dass vor allem von der Johannisnacht
            besondere Heilkräfte ausgingen.
            Das Johannisreiten, das in der Mitte des 19. Jahrhunderts noch in
            mehreren Dörfern der Niederlausitz gefeiert wurde, wird heute
            nur noch in Casel, einem Stadtteil von Drebkau, gepflegt. Der
            Johannes, der den Künder des nahenden Sommers verkörpert,
            steht  im  Mittelpunkt.  Er  ist  mit  unzähligen  Kornblumen  ge -
            schmückt und trägt eine Krone aus Binsen, Gartenblumen und
            Seerosen. Die Blumen bringen die Freude
            am Leben und an den gesegneten
            Fluren zum Ausdruck, Kornblumen
            werden als Heilkräuter verwendet
            und Seerosen und Simsensten-
            gel deuten auf die Ver bindung
            zum lebensspendenden Wasser
            hin. Am Vormittag des Festtages
            beginnen die Mädchen mit dem
            Ankleiden des Johann. Vom Hals-
            ausschnitt bis zu den Knien werden
            Kornblumenranken an seine Bekleidung
            genäht. Ist er dann vollständig geschmückt, reitet er mit seinen
            Beschützern und einer Blaskapelle zum Festplatz. Vor den Reitern
            gehen die Mädchen in ihren weißen, mit blauen und roten Streifen
            besetzten Jugendkleidern. Sie tragen eine zweite Krone, die der
            Johann am Abend beim Ehrentanz überreicht bekommt. Auf dem
            Festplatz angekommen, reitet der Johann zunächst einige Male
            mit seinem gesamten Gefolge an der Zuschauermenge entlang.
            Die Begleiter haben die Aufgabe, ihn vor den Zuschauern zu
            beschützen, die ihn vom Pferd holen und seines Blumenschmucks
            berauben wollen. Nach und nach scheiden jedoch seine Begleiter
            aus und der Johann reitet schließlich allein. Die wilde Jagd nach
            einem Stück vom Blumenschmuck beginnt. Die erbeuteten Blu-
            men gelten als Glücksbringer. Anschließend geht es mit Musik
            zum Tanz zurück in den Gasthof.
            Getrocknete Kornblumen, als Teeaufguss verwendet, sollen so
            manchen Schmerz vertreiben und ein getrockneter Teil der Krone,
            über der Stubentür aufgehängt, soll Glück, Gesundheit und eine
            reiche Ernte bringen.
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