Page 6 - 70 Jahre Volkssolidarität Spree-Neiße e.V.
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Volkssolidarität SPN 2015 2_Layout 1  14.10.2015  12:47  Seite 6








                  Mit 70 Jahren noch kein






                  bisschen leise                                                    Ein geschichtlicher Rückblick von
                                                                                    Ines Gropp, Geschäftsführerin der
                                                                                    Volkssolidarität Spree-Neiße e.V.












                  Wenn man die Frage danach stellt, wer oder was die Volkssolidarität ist, bekommt man

                  die unterschiedlichsten Antworten. Viele Ältere kennen sie, manche können sich noch
                  an die Anfangszeiten erinnern. Es gibt Menschen, die sich erstaunt darüber äußern, dass

                  es die Volkssolidarität noch immer gibt. Jüngere kennen sie weniger, vielleicht eher dann,
                  wenn die Oma in der Volkssolidarität ist oder war. Aber wenn ich die Frage nach dem

                  Wesen und Wirken der Volkssolidarität als Sozial- und Wohlfahrtsverband beantworten

                  soll, lohnt sich ein Rückblick.



                                            Am Anfang waren die Hinterlassenschaften  „Volkssolidarität gegen Wintersnot“, der zu
                                            des von Nazideutschland ausgegangenen  einer gewaltigen Aktion der Volkssolidarität
                                            verbrecherischen Krieges, das zerstörte Land,  aufforderte. Dieser Tag gilt als Geburtsstun-
                                            zerbombte Städte, überall Leid und Elend.  de der basisdemokratisch gebildeten Volks-
                                            Zwischen  den  Trümmern  bewegten  sich  solidarität. Von der tiefsten Not der Heim-
                                            Menschen in viel zu dünnen Mänteln mit  kehrer, Flüchtlinge, der Ausgebombten, der
                                            knurrenden Mägen.                     Kinder und Greise war die Rede. Städte soll-
                                              Egal woher sie kamen, aus Vierteln, die  ten den Dörfern und die Dörfer den Städten
                                            in Trümmern lagen, den Dörfern östlich der  helfen. Die Häuser sollten so schnell wie
                                            Neiße,  den  Kriegsgefangenenlagern  oder  möglich aufgebaut und stillgelegte Betriebe
                                            den Konzentrationslagern der Nazis – sie  wieder in Gang gesetzt werden. Der Appell,
                                            mussten den kommenden Winter fürchten.  der zwei Tage später in der „Sächsischen
                                            Und der stand unmittelbar vor der Tür.  Volkszeitung“ zu lesen war, endete mit den
                                              Das war der Grund, warum sich überall  Worten: „Männer, Frauen und Jugendliche
                                            „Notgemeinschaften“ gründeten, um dem  des Landes Sachsen, wir appellieren an euch!
                                            furchtbaren Elend zu begegnen. Sie waren  Bildet in jeder Stadt, in jedem Dorf und in
                                            ihrem Wesen nach Selbsthilfeorganisationen  jedem Kreis Ausschüsse der Volkssolidari-
                                            mit  unterschiedlichen  weltanschaulichen  tät!“  Schließlich  kamen  am  24.  Oktober
                                            Hintergründen und standen in der Tradition  1945 mehr als 1.000 Menschen im Gebäude
                               Ines Gropp   solcher Einrichtungen wie Diakonie, Caritas,  der „Sächsischen Volkszeitung“ zu einer Par-
                                            Arbeiterwohlfahrt oder einzelner Vereine,  teiarbeiterkonferenz der KPD der Sowjeti-
                                            um den Bedürftigen zu helfen. Dabei wurde  schen Besatzungszone (SBZ) zusammen und
                                            der Solidaritätsgedanke zur Grundidee. Am  beschlossen das „Grundsatzprogramm der
                                            17. Oktober 1945 unterzeichneten Vertreter  Volkssolidarität“ mit dem Ziel der Verbrei-
                                            der KPD, SPD, LDPD, CDU, der Landeskir-  tung in allen Ländern der SBZ. So kam es,
                                            chen und des Freien Deutschen Gewerk-  dass tatkräftige Menschen unter dem Namen
                                            schaftsbundes einen gemeinsamen Aufruf  „Volkssolidarität“  Brennstoffe  verteilten,


             6    Die Geschichte der Volkssolidarität
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